Präsenz- vs. Online-Training – Wie lernt man besser?
Seit Beginn der Corona-Pandemie findet Lernen hauptsächlich online statt. Wer nicht schon zuvor in der Weiterbildung auf Online-Trainings gesetzt hat, braucht spätestens jetzt eine alternative Lösung. Wie sich diese Veränderung in der beruflichen Weiterbildung etabliert und sich auf die Zukunft auswirkt, haben sich auch zwei unserer Mitarbeiter*innen gefragt. In einem Schlagabtausch diskutieren sie, wie Lernen gut funktionieren kann – in Präsenz- vs. Onlinetrainings.
Der Schlagabtausch
Warum es auch nach der Pandemie wieder Präsenztrainings geben sollte, erklärt Isabell Reinhold, Autorin und Medienpädagogin. Schon seit dem Studium schlägt ihr Herz für Blended Learning-Formate und die damit verbundenen Vorteile für die Lernenden.
Ihr gegenüber steht Fabian Surburg für Online-Trainings ein. Der Teamleiter im Bereich Learning brennt seit vielen Jahren für digitale Trainings und setzt diese mit geschultem Blick für ein erfolgreiches Lernerlebnis um.
Wir geben den Blog frei für die Diskussion von Präsenz- vs. Onlinetraining:
„Präsenzschulung
– ein wirksames Lernformat!“
Isabell
vs.
Fabian
„Digitales Lernen – hat einfach nur Vorteile!“
Wissensvermittlung & Wissenstiefe
Isabell
Ich steig einfach mal ein und werfe das erste Thema in den Ring: Die Art der Wissensvermittlung. Präsenzlernen – das kennen wir alle aus Schule und Ausbildung – kann eine Vielzahl von Methoden bieten, wenn sie denn nur von den Lehrenden genutzt werden. Gehen wir vom besten Fall aus: Die Methode passt sowohl zum Inhalt als auch zu der Situation der Lernenden.
So kann Lernen in Präsenz sehr viel erreichen. Durch praktische Beispiele, Austausch, das soziale Miteinander oder bestenfalls die Anwendung der zuvor erlernten Theorie.
Fabian
O.k., verschiedene Methoden der Wissensvermittlung kann ich aber in jedes Schulungsformat integrieren. Eins ist klar, ob Präsenzschulung oder Online-Training beide Schulungsformen vermitteln Wissen.
Nur wie, wem und wie tief etwas vermittelt wird, unterscheidet sich maßgeblich. Naja und natürlich, was über welche Schulungsform vermittelt werden kann, ist eine spannende Frage. Vor allem theoretisches Wissen kann man sich, meiner Meinung nach, sehr gut durch Online-Trainings aneignen.
Ich denke, bei vielen Themen braucht es keine Vortänzer. Denn gute Online-Trainings vermitteln mithilfe von gezielten Übungen, wie ich mein neues Wissen anwenden kann.
Isabell
Aber hast du schon mal versucht, Tango ohne Partnerin zu tanzen? Funktioniert nicht so gut, würde ich mal sagen 😉. Das gleiche gilt für die soziale Komponente im Präsenztraining.
Die Teilnehmergruppe bildet für die Dauer des Trainings eine kleine Einheit. Ich bin der Meinung, dass hier auch das Peer-Learning schon gut greifen kann. Die Lernenden profitieren voneinander. Zum Beispiel von den Erfahrungen, die geteilt werden können. Oder auch durch Diskurs, der entsteht, wenn man sich in (Klein-)Gruppen mit den Sichtweisen der anderen Teilnehmer*innen auseinandersetzen muss.
Und – mein Pro-Argument: der Praxiseinsatz. Lernen funktioniert dann gut und vor allem nachhaltig, wenn möglichst viele Sinneskanäle bei der Wissensvermittlung angesprochen werden. Das heißt nicht nur Sehen und Hören – beides ist absolut gleichberechtig in einer Online-Umgebung umsetzbar -, sondern auch Fühlen.
Wenn ich also mein frisch erlerntes Wissen gleich fühlbar an Experimenten, in Rollenspielen oder Anwendungsbeispielen umsetzen kann, hat mein Gehirn die Chance, die Theorie mit einer Erfahrung aus der Praxis zu verknüpfen. Ein absoluter Vorteil.
Fabian
Tango tanzen ist ein gutes Argument. Schwimmen würde ich auch nicht in einem Online-Training lernen wollen.
Aber so leicht schenke ich dir diesen Punkt nicht! Mittlerweile kann man online sehr wohl in sozialen Gruppen lernen – in Diskussionsräumen, im Austausch per Chat oder Videokonferenz. Und gezieltes Peer-Learning geht heutzutage auch von zu Hause aus. Sogenannte „Massive Open Online Courses“ sind genau darauf ausgelegt und diese Online-Plattformen haben obendrein noch Vorteile gegenüber den Platzhirsch-Arenen der Präsenzschulungen.
Zum Beispiel ist die Kommunikation generell etwas gebremst. Jeder kann Beiträge nachlesen, jeder hat genug Zeit für eine Antwort und jeder kann etwas schreiben oder kommentieren. Mir fallen da einige Situationen ein, in denen eine Rampensau den Diskussionsprozess durch übersteigertes Geltungsbewusstsein behindert hat.
Isabell
Ich gebe dir Recht – in einigen Punkten. Klar gibt es MOOC und ich sehe sie auch als ein sehr bereicherndes Format an. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es ein Modell für die breite Bevölkerung ist. Sprache, Zugang, eigene Motivation zur Weiterbildung – all das sind (aus der Bildungssicht) „leider“ Hinderungsgründe, oder müssen zumindest aktiv gesteuert werden.
Zum Punkt Kommunikation – ja und nein. Hier gewinnen vielleicht introvertierte Teilnehmer*innen, aber genau dieser Moment, wenn man mit anderen Persönlichkeiten und Verhaltensweisen in Präsenz konfrontiert wird, gibt auch die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen, raus aus der Komfortzone zu kommen. Außerdem sollte ein guter Trainer im Blick haben, dass die Gesprächs- oder Diskussionsanteile einigermaßen ausgeglichen sind.
Bevor ich also gleich zu meinem nächsten Argument komme: Worauf einigen wir uns?
Fabian
Jeder bekommt einen Punkt und es steht 1:1. Wie lautet dein nächstes Argument für Präsenzschulungen?
Coaching & Trainer
Isabell
Gutes Lernen in Präsenz steht und fällt mit qualifizierten Trainer*innen.
In einem Präsenztraining kann ich Nachfragen direkt stellen – ohne Umwege oder Verzögerungen. Ich bekomme im besten Fall eine Erklärung, mit der ich den weiteren Lernstoff ungehindert verstehen kann. Jetzt seien wir mal ehrlich: Versteht man etwas in einem Online-Kurs nicht, wird viel schneller darüber hinweggesehen und weitergeklickt. Ganz nach dem Motto: „Wird schon keiner merken“. Spätestens beim Abschlusstest fällt es dem Lernenden dann doch auf die Füße.
Ich denke, der direkte Kontakt zum Trainer vereinfacht diesen Weg. Gleichzeitig kann der Trainer auch erkennen, wo Defizite liegen. Ist die Nachfrage ein individuelles Problem oder haben die meisten Teilnehmer*innen den Punkt nicht verstanden? So kann er flexibel reagieren und den Lerninhalt anpassen.
Fabian
Stimmt, die Fähigkeiten eines guten Trainers kann ich in einem Online-Training schlecht ersetzen.
Tätsächlich musste ich sofort an meinen alten Mathelehrer denken. Er konnte sich immer gut auf seine Schüler einstellen und hat seinen Unterricht stets spannend gestaltet.
Doch eine gute Lehrkraft ist nicht immer rund um die Uhr für mich da. Ein Online-Training ist da deutlich flexibler. Ich kann mein Online-Training einfach auffrischen, bevor ich eine neu erlernte Aufgabe umsetzen muss, oder frei nach dem „In the moment of need“-Prinzip kann ich bei einem Problem direkt die Lösung zeigen lassen.
Isabell
Eine Möglichkeit sehe ich, beides online zu verbinden – das Webinar. Hier ist auch der enge Kontakt zu Trainer*innen und anderen Teilnehmer*innen möglich, ohne in Präsenz zusammen kommen zu müssen. Nichtdestotrotz darf ein Präsenztraining nicht eins zu eins in ein Webinar übertragen werden, das ist klar.
Und die technischen Voraussetzungen müssen stimmen. Frustration durch nicht oder nicht richtig funktionierende Technik steht dem positiven Lernerlebnis sonst schon vor Beginn im Weg.
Barrierefreiheit & Mehrsprachigkeit
Fabian
Hmm o.k., ich denke, der „Coaching & Trainer“-Punkt geht an dich. Das bedeutet 2:1 für dich. Aber ich hole jetzt mit dem nächsten Argument auf!
Ich liebe die Freiheit bei Online-Trainings, ob Smartphone, Tablet oder Computer: Ich wähle mich in mein Schulungssystem ein, starte einfach wieder meine letzte Schulung und lerne dort weiter, wo ich zuletzt aufgehört habe. Für mich persönlich ist damit die erste Hürde genommen und wenn ich – passend zu mir und meinem Thema – dann das richtige Online-Trainingsformat gefunden habe, steht dem Flow, meinem „Binge-Learning“, nun nichts mehr im Weg. 😋
Isabell
Ja, ein entscheidender Vorteil von Online-Trainings. Vor allem für die Generationen, denen Smartphones gefühlt schon festgewachsen sind.
Und doch gibt es hier einen Punkt, den man nicht vergessen darf: Haben alle Teilnehmer*innen einen Zugang zu den entsprechenden Geräten? Nur eine Anmerkung am Rande: Dies ist sicher nicht der geeignete Platz, um über Bildungsungerechtigkeit zu diskutieren.
Fabian
Stimmt. Apropos Gerechtigkeit, Online-Trainings sind zugänglicher und barrierefreier als Präsenzschulungen. Schon eine Treppe, die Anfahrt oder die Präsenzschulung selbst schließt oft Menschen mit einer Geh-, Hör- oder Sehbehinderungen aus.
Anders bei Online-Trainings: Hier kann jeder den Inhalt am gewohnten Arbeitsplatz anhören, sehen oder sich den Inhalt sogar vorlesen lassen. Aber auch Menschen ohne körperliche oder geistige Einschränkungen profitieren von der Barrierefreiheit im Online-Training. Funktionen wie den Ton lauter stellen oder den Vortrag pausieren wünscht man sich doch auch gern bei der ein oder anderen Präsenzveranstaltung 😅. Und auch mit zusätzlichen Sprachversionen können Online-Trainings wirklich zugänglich für eine sehr breite Zielgruppe sein. Eine Präsenzschulung in 13 Sprachen ist hingegen eher eine Seltenheit.
Isabell
Wie schon gesagt, den Punkt in dieser Kategorie, erhälst du. Das ergibt ein ausgelichenes 2:2.
Zeit & Ort
Fabian
Noch ein Pro-Argument für Online-Trainings ist die örtliche und zeitliche Unabhängigkeit. Ich kann jederzeit und überall lernen.
Isabell
Der Klassiker schlecht hin und auf jeden Fall ein Vorteil!
Aber was ist mit der Motivation und Disziplin? Immer und überall lernen zu können, kann für einige Teilnehmer*inne auch ein Problem darstellen. Besonders im deutschen Schulsystem klafft bis heute eine große Lücke bei der Selbtsorganisation, Teilhabe und Verantwortung für das eigene Lernen. Wer Wissensvermittlung nur im Frontalunterricht kennengelernt hat, kann im Arbeitsumfeld nicht oder nur schwer plötzlich auf selbstbestimmtes Lernen umschalten. Ausgenommen intrinsisch motivierte Lerner. Aber leider fehlt in der betrieblichen Weiterbildung diese Komponente oft.
Ich hab noch einen weiteren Punkt dazu, den ich anbringen möchte. Zeitgebundenes Lernen kann auch als Vorteil ausgelegt werden, weil man sich bewusst Zeit „nur“ für die Weiterbildung nimmt. Ablenkung und Störquellen wie zum Beispiel kurzfristige Termine oder Telefonate fallen weg.
Fabian
Auch für ein Online-Training sollte man sich auch bewusst Zeit nehmen und sich einen Termin einstellen. Ich denke, das ist eine Sache der Arbeitsorganisation und der Einstellung zur Weiterbildung. Wenn mir die Ruhe oder Motivation fehlt, kann ich das Online-Training einfach pausieren und später mit etwas mehr Ruhe genau dort weitermachen.
Aber ohne Motivation oder Lernbereitschaft ist es sowohl im Präsenz- als auch Online-Training schwer etwas zu lernen. 🧐
Isabell
So ganz sicher bin ich nicht, ob man hier klare Punkte verteilen kann. Aber Zeit- und Ortsunabhängigkeit ist schon ein starkes Argument. Ein Punkt für das Onlinelernen und dich, Fabian. Der aktuelle Punktestand lautet somit 2:3.
Kosten
Fabian
Wir alle lernen ein Leben lang. Gerade Unternehmen setzen dabei auf langlebige Bildungsangebote. Die Schulungen sollen wirksam und effizient sein. Ein leicht zugängliches Online-Training mit verschiedenen Sprachen spricht somit viele Teilnehmer*innen an und spart auf Dauer Kosten.
Anders als bei den Präsenzschulungen fallen keine lästigen Verwaltungskosten an, weil Buchung und Durchführung in einem digitalen Unternehmensprozess verlaufen.
Am Ende wird die Teilnahme direkt erfasst und, wenn nötig, werden weitere Online-Trainings gebucht oder freigeschaltet.
Ein anderer wichtiger Grund für die Kostenersparnis bei Online-Trainings ist: Die Teilnehmergruppe ist theoretisch unendlich skalierbar. Unternehmen können Online-Trainings für einen Festpreis einkaufen und damit heutige sowie zukünftige Mitarbeiter*innen schulen.
Isabell
Was soll ich darauf schon sagen – auch ich sehe diese Vorteile. Das Return on Investment von Onlinetrainings ist quasi unschlagbar für Unternehmen.
Ich vertrete ja immer den Leitsatz „Inhalt vor Methode“. Ich finde, den kann man auch hier in angepasster Form anwenden: Natürlich muss die Art und Weise des Trainings zu dem passen, was ich vermitteln möchte.
Für eine breite Masse lohnen sich auch höhere Initialkosten für ein Onlinetraining. Gibt es hingegen nur eine kleine Zielgruppe, scheuen viele Unternehmen diese Investition. Das haben auch wir schon als Feedback von Kunden bekommen.
Vielleicht erreicht dann ein Präsenztraining die Zielgruppe besser und steht in einem besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis. Bemerkt der Kunde, dass der Bedarf steigt, kann er ja online aufstocken, zum Beispiel für ein vorgeschaltetes Grundlagentraining, das hattest du ja weiter oben schon einmal erwähnt.
Fabian
So schnell entsteht ein Blended-Learning Format, oder besser gesagt die beiden Varianten kommen sinnvoll zum Einsatz. 😀
Endstand
Isabell
Für mich sind es neue hybride Lernformen, die wir benötigen. Lernformen, in denen sich Präsenz- und Onlinelernen sinnvoll ergänzen und sich die Vorteile aus beiden Bereichen zu Nutze machen. Ich hoffe, dass auch die Pandemie und die veränderten Bedingungen in Homeoffice, Homeschooling etc. diese Prozesse beschleunigen.
Fabian
All das sind mögliche Lösungsansätze. Darüber sollten wir das nächste Mal diskutieren! Mir fällt da auf Anhieb folgende Frage ein: Welchen Einfluss haben neue Technologien wie KI, Augmented- und Virtual Reality?
Aber wenn ich richtig gezählt habe, geht dieses Mal Online-Training mit 2:4 vom Feld. 🥳
Guten Tag
Ich würde gerne einen Workshop für unsere Lernende „wie lerne ich einfach und schnell“ organisieren.
Bieten Sie auch solche Kurse an? In der Schweiz, Laax.
Beste Grüsse
Domenica